Einleitung
Seit der Ausstrahlung der Dokumentation ”Titanic – The New Evidence” im Januar 2017 durch den britischen TV-Sender Channel 4, kursiert im Internet die Theorie dass eine Feuer im Kohlebunker der Grund für den Untergang gewesen sei. Aufgestellt wurde die Theorie von Senan Molony, der als Beweis ein Sepiaton-Foto vorlegt welches am Tag der Abfahrt aus Belfast entstanden ist und einen schwarzen Fleck an der Seitenwand des
Schiffes zeigt. Dieser Fleck soll eine durch den Brand entstandene Anomalie am Rumpf zeigen. In diesem Artikel wird eine genaue Bildanalyse durchgeführt und eine abschließende Beurteilung dieser Theorie vorgestellt.
Das Beweisfoto


Abbildung 2 zeigt eine vergrößerte Version mit dem Bereich der angeblichen Anomalie. Gemeint ist der dunkle Fleck der sich unterhalb des vorderen Welldecks befindet.
Lokalisierung des Fleckes


Anhand der Bullaugen, der Außenbeplattung und der Washports am Welldeck lässt sich die genaue Position des Fleckes an der Außenhaut eruieren, siehe Abbildung 3.
Ein Abgleich mit dem Shellplatingplan, der zwar der Olympic zugehörig, für diesen Zweck aber völlig brauchbar ist, lässt eine genaue Positionierung des Flecks zu. Siehe Abbildung 4.
Durch den Abgleich lässt sich folgendes feststellen:
* Der vordere Washport befindet sich zentriert am Spant 98fwd,
* Das von vorne gezählte dritte große Bullauge befindet sich vor Spant 77fwd,
* Der Fleck verläuft zwischen Spant 77fwd und Spant 98fwd, sowie über den Q-Strake in den R-Strake. (Begriffserklärung siehe Ende des Artikels)
* Die Stärke der Außenplatten beträgt in diesem Bereich 0.90 (2,286cm) Zoll bzw. 0.84 Zoll (2,1336cm), je nach Position,
* Die Spanten haben im Bereich 1-95fwd einen Abstand von 36 Zoll (0,9144m) und zwischen 95-107fwd einen Abstand von 33 Zoll (0,8382m),
Anhand dieser Daten lässt sich die Länge des Flecks am Schiff auf 18,9738m, also etwa 19m definieren.

Ein weiterer Planabgleich, diesmal mit dem Profilplan von Bruce Beveridge erlaubt uns die Innenbereiche zu definieren. Siehe Abbildung 5
Der Abgleich zeigt dass die vom Fleck bedeckten Bereiche sich vom Postoffice über den Laderaum der ersten Klasse auf Deck G bis in den Bereich der dritten Klasse auf Deck F erstrecken.
Ferner lässt sich festhalten, dass der Fleck sich über eine Höhe von ca. 12 Fuß, etwa 3,6576m erstreckt.
Zusammenfassung
Nach genauer Betrachtung und Abgleichungen mit Plänen lässt sich der Fleck wie folgt positionieren:
Der Fleck befindet sich auf einer Länge von etwa 19m und einer Höhe von etwas über 3,5m vorderseitig von Spant 77fwd. Er verläuft schräg von Deck G bis hoch ca. in die Mitte von Deck F.
Fazit
Die in diesem Artikel aufgezeigten Fakten, die jeder Überprüfung stand halten, widerlegen die Theorie dass es sich bei dem Fleck auf dem Foto um einen Brandschaden handelt, begründet wie folgt:
In diesem Bereich des Schiffes sind die Außenplatten etwas mehr als 2cm dick. Damit Stahl dieser Stärke sich auf einer Länge von 19m und einer Höhe von 3,5m derart verfärbt dass dies durch die schwarze Lackierung hindurch sichtbar wäre müsste er zum glühen gebracht werden. Die hierfür notwendige Temperatur beträgt mindestens, je nach Stahlsorte, zwischen 800°C und 950°C. Ein Brand diesen Ausmaßes hätte den betroffenen Bereich des Schiffes völlig zerstört und nicht nur einen Fleck an der Bordwand hinterlassen. Betrachtet man ferner die Position des Kohlebunkers vorderseitig von Kesselraum Nr. 6 und beachtet dass Hitze bzw. Feuer sich nach oben hin ausbreitet, würde man die Verfärbung eher im Bereich der ersten Klasse und der Squash-Halle erwarten und nicht nach vorne gerichtet durch ein wasserdichtes Schott (WTB ”D”) hindurch. Außerdem sind auf dem Bild im gesamten Bugbereich schwarze Verfärbungen ersichtlich, was entweder dafür spricht dass der ganze Bug gebrannt hat, oder es sich einfach um Fehler im Bildnegativ oder Schatten bzw. Schmutz am Schiff handelt.
Abseits aller logischen Zusammenhänge darf zusätzlich erwähnt werden, dass Passagiere welche nach dem Unglück befragt wurden, angaben die Squash-Halle besucht zu haben, was bei einem Feuer in dem Areal sicherlich unmöglich gewesen wäre. Auch die Postangestellten gaben keinen solchen Schaden zu Protokoll. Als weiteres Argument lässt sich anführen, dass der Eisberg die Titanic unterhalb der Wasserlinie beschädigt hat, was
Aussagen von diversen Crew-Mitgliedern nach belegt ist, der Fleck sich jedoch weit über der Wasserlinie befindet, was alleine schon durch das Vorhandensein von Bullaugen sowie der Sichtbarkeit der Anitfoulling-Lackierung belegt ist. Unerwähnt bleiben darf trotzdem nicht, dass es einen
Schwelbrand im Kohlebunker sehr wohl gegeben hat. Dies ist durch die Aussage von Chefheizer Frederick Barrett historisch belegbar. Ob und wie dieser Schwelbrand die Schottwand geschwächt und somit zum Untergang beigetragen hat bleibt in diesem Artikel unbeachtet.
Hier hat sich Hr. Senan Molony eher der Sensationshascherei als ernstzunehmenden Forschungen hin gegeben.
Begriffserklärungen
Strake:
Als Strake wird die horizontale Reihe der Außenbeplattung eines Schiffes bezeichnet. Gezählt werden diese bei der Titanic alphabetisch, von A unten am Kiel bis Z am unteren Ende des B-Decks;
WTB:
WTB steht für Water Tight Bulkhead, also wasserdichte Wand, was eine Schottwand beschreibt. Diese teilt ein Schiff in mehrere wasserdichte Abteilungen auf. Bei der Titanic in 16;
Spant:
Als Spant wird ein vertikaler Stahlträger bezeichnet welcher am Kiel montiert ist und so als Rippe des Schiffes dient. Gezählt werden diese bei der Titanic aus der Mitte heraus in beide Richtungen. Fwd steht dabei für Forward, also vorderseitig der Schiffsmitte.
Shellplatingplan:
Unter Shellplating versteht man im englischen die Außenbeplattung. Der Shellplatingplan gibt Position, Stärken, Überlappungen der Platten und weitere Konstruktionsmerkmale an.
Washport:
Der Washport ist eine rechteckige Öffnung im Bereich der Welldecks. Diese diente unter anderem dazu Wasser von Welldeck abfließen zu lassen.
Quellenangaben
Inspiriert durch den Artikel ”Feuer an Bord als Ursache für den Untergang” von Imre Karácsonyi, deutscher Titanic-Verein
Aussagen Überlebender bei den offizielle Untersuchung; titanicinquiry.org
Bildnachweise
Abbildung 1-3 Ulster Folk Museum / edit Christian Homeier
Abbildung 4 SS Olympic Shellplatingplan / edit Christian Homeier
Abbildung 5 Profilplan by Bruce Beveridge / edit Christian Homeier
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